Was ist dran an der Polyvagal-Kritik?
Ein Sonderkapitel zu dem im Carl-Auer Verlag erschienenen Buch „Emotionale Erinnerung – Klopfen als Schlüssel für Lösungen! Neurowissenschaftliche Wirkmechanismen der Klopftechniken (Pfeiffer, 2023)“ von Dr. Antonia Pfeiffer*.
Einleitung I oder eine kleine Geschichte der Polyvagal-Theorie
Im Jahr 1994 präsentierte Stephen Porges der Welt die Polyvagal-Theorie. Da es auf den folgenden Seiten sehr ausführlich um diese Theorie gehen wird, lassen Sie uns kurz auf die „Entstehungsgeschichte“ der Polyvagal-Theorie eingehen. Denn dies wird unser Verständnis erheblich erleichtern.
Stephen Porges hatte in den 70er und 80er Jahren auf einer Entbindungsstation über die Herzfrequenzvariabilität und die fetale Herzfrequenz geforscht. Bei schwierigen Geburten beobachtete er bei den Neugeborenen immer wieder ein einschlägiges physiologisches Muster:
· Bei steigendem Geburtsstress sank zunächst die Herzratenvariabilität. Das heißt, der rhythmisierende Einfluss des Vagus auf das Herz ließ nach.
· Wenn die Komplikationen anhielten oder größer wurden, wurde als nächstes unter dem Einfluss des Sympathikus der Herzschlag schneller (Tachykardie).
· Bei weiter steigender Gefahr sank die Herzfrequenz, die Babies erlebten eine lebensbedrohliche Bradykardie, die mit einer Minderversorgung der Organe einherging.
Das heißt, die Physiologie der Babies veränderte sich mit steigender Gefahrenstufe – im Stress ging ihr Nervensystem in den bekannten Sympathikusstate des „fight-or-flight“, bei steigender Gefahr ging ihr Körper in eine mit Bradykardie assoziierte Immobilisierung über (Reed et al. 1999).
Stephen Porges stellte sich nun folgende wichtige Frage: Welcher Zweig des Nervensystems ist für diese Bradykardie und Immobilisierung verantwortlich? Porges fand Antworten in Studienergebnissen seiner Kollegen: Wenn man bei Säugetieren den Vagus Nerv mit einem Medikament ausschaltete, dann wurde bei ihnen sowohl der ruhige, gesunde Herzschlag blockiert als auch der langsame Herzschlag, der in Lebensgefahr auftritt. Das heißt, der Nervus Vagus war bei diesen Tieren für beide Funktionen verantwortlich. Für eine sanfte Regulation des autonomen Nervensystems in Ruhe, sowie für die Starre in der Lebensgefahr. Daraus wiederum resultierte nun folgende Frage: Wie kann der Einfluss des Vagus auf das Herz bei der Herzfrequenzvariabilität ein positives Zeichen für Gesundheit und bei der Bradykardie ein Zeichen für Krankheit sein?
Stephen Porges kam zu folgendem Schluss: Der Nervus Vagus ist bei Säugetieren zweigeteilt. Das heißt, unser Nervensystem setzt sich nicht aus zwei, sondern aus drei Schaltkreisen zusammen. Neben einem älteren Vagus, der unter anderem für die Totstellreflexe im Angesicht von Lebensgefahr zuständig ist, geht Porges davon aus, dass bei Säugetieren der jüngere Vagus entstand, welcher die Regulation in der Sicherheit der Gemeinschaft übernimmt.
Eine tiefer gehende Analyse der Polyvagal-Theorie würde an dieser Stelle von dem Thema dieses Artikels hinweg führen. Hier kann ich auf Englisch den Artikel von Stephen Porges aus dem Jahr 2022 „Polyvagal Theory: A Science of Safety“ (Porges, 2022) empfehlen oder auf deutsch, die entsprechenden Kapitel zu „Wirkmechanismen Klopftechniken und Polyvagaltheorie“ aus meinem Buch „Emotionale Erinnerung: Klopfen als Schlüssel für Lösungen!“. Dieser Text hier ist ja schließlich ein Sonderkapitel eben dieses Buches 😉.
Einleitung II oder die Geschichte der Polyvagalkritik
Seit dem Jahr 1994 hat die Polyvagal-Theorie mehr Aufmerksamkeit erhalten, als Stephen Porges es sich in seinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Er war davon ausgegangen, dass andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seine Theorie kritisch prüfen würden, sich in ihrer Arbeit von ihr beeinflussen lassen, mit ihr in Resonanz gehen würden. Doch es waren zuerst vor allem Traumatherapeuten und ihre Patienten und Patientinnen, welche in Resonanz mit seiner Theorie gingen. Viele von ihnen fühlten sich mit ihren Symptomen der Dissoziation und dem Gefühl der inneren Taubheit und des emotionalen Shutdowns gesehen – allesamt Symptome, die in der alten Theorie des autonomen Nervensystems nicht vorkommen.
Bis heute (22.09.2024) wurde die Polyvagal-Theorie laut der wissenschaftlichen Suchmaschine Google Scholar 58767-mal in wissenschaftlichen Artikeln zitiert (Google scholar, 2024), von denen sich etwa 30.000 auf die Polyvagal-Theorie beziehen. Dies kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass sich auch wissenschaftliche Kollegen intensiv mit der Theorie auseinandersetzen. Laut der wissenschaftlichen Datenbank PubMed hat Stephen Porges bis dato, allein und mit anderen, seit 1969 193 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht, die Datenbank Google Scholar zählt mehr als 400. In diesen Artikeln geht es vor allem um die zentrale Frage der Polyvagal-Theorie: Warum sind Gefühle von Sicherheit, Liebe und Verbundenheit so wichtig für unsere emotionale und körperliche Gesundheit und unseren sozialen Zusammenhalt?
Zugleich kritisiert eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern seit Jahren die neurowissenschaftlichen Prämissen der Theorie. Mit öffentlichkeitwirksamem Erfolg: Bei Wikipedia gilt die Polyvagal-Theorie beispielsweise als „weitgehend widerlegt („Polyvagal-Theorie“, 2024)“. Versuche, die polarisierende und absolute Sprache Aussage des Wikipedia-Eintrags zu mildern, wurden wiederholt verhindert (bzw. innerhalb kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht). Um der Diskrepanz zwischen öffentlicher Bewertung und Resonanz und Anwendung im Bereich körperorientierter Traumatherapien gerecht zu werden, folgt, bevor wir uns der Theorie in ihrer Tiefe widmen, zunächst ein Überblick zu den wichtigsten Punkten der Polyvagal-Kritik.
Dabei gilt folgendes: Wer sich mit der Kritik an der Polyvagal-Theorie beschäftigen möchte, dem lege ich dieses Kapitel hier sehr gerne ans Herz und möchte zugleich auf häufige Nebenwirkungen hinweisen: nämlich bei circa 99 von 100 Menschen tritt eine leichte bis mittelgradige Verwirrung bei diesem Thema auf 😊. Man kann sie mit einem guten Kaffee zwar reduzieren, aber nicht komplett aus dem Weg schaffen. Daher eine zweite Option: Wer das Lesen deshalb abbricht oder hinauszögert, den möchte ich trotzdem zum Webinar am 14. Januar um 19:30 Uhr einladen, da erkläre ich das Ganze zwar ohne Kaffee, aber dafür live.
Anmelden können Sie sich über diesen Link: https://polyvagal-akademie.com/courses/kritik-an-der-polyvagal-theorie
Polyvagalkritik
Die Analyse wissenschaftlicher Kritik ist aus wissenssoziologischer Sicht immer eine faszinierende Angelegenheit, denn wie im echten Leben ist auch diese scheinbar objektive Kritik häufig emotional oder ideologisch aufgeladen. Daher ist es hilfreich, neben einer inhaltlichen Analyse der Kritik, auch den Tonfall der Kritik selbst kritisch zu analysieren.
Beginnen wir mit letzterem: Hier fällt zunächst die unterschiedliche Haltung der Autoren auf. Während beispielsweise der Hamburger Osteopath Thorsten Liem und der Erlanger Anatomie-Professor Winfried Neuhuber sehr sachliche, fundierte und im Kern wertschätzende Artikel verfassen, verwendet der Baseler Wissenschaftler Paul Grossman eine tendenziöse, fast feindselige Sprache. Er schreibt beispielsweise in seinem Blog »die Polyvagal-Theorie ist tot« oder nennt die Theorie in wissenschaftlichen Artikeln „polyvagale Sammlung von Hypothesen“ oder „polyvagale Annahmen“– „polyvagale Vermutungen“ (Grossman 2023, S.2-5, Übers. von AP). Dies lässt einem beim Lesen innehalten, denn das Wort Theorie drückt ja dieses aus: dass Stephen Porges eben keine Polyvagale Wahrheit in die Welt gebracht hat, sondern eine Theorie, welche bis heute wächst und neues Wissen integriert. Er selbst formulierte in seinem ersten Artikel aus dem Jahr 1995 folgendes: „Die Polyvagal-Theorie beruht auf mehreren Prämissen. Einige sind fest in neurophysiologischen und neuroanatomischen Daten verankert, andere sind eher spekulativ“ (Porges, 1995, S. 305-306, übers. von AP).
Kommen wir nun zu den drei wichtigsten Punkten der inhaltlichen Kritik: Im Zentrum dieser steht erstens die Frage, ob der dorsale Vagus-Kern tatsächlich die Immobilisierung (das „freezing“) und die Bradykardie bei Lebensgefahr auslöst. Zweitens hinterfragen Kritiker, ob die myelinisierten, ventralen Fasern des Vagus Nervs wirklich nur bei Säugetieren zu finden sind. Sie stellen drittens außerdem in Frage, ob die Herzratenvariabilität Aussagen über einen ganzkörperlichen „vagalen state“ ermöglicht. Schauen wir uns diese wichtigsten Kritikpunkte nacheinander an!
Um die Frage zu verstehen, ob der dorsale Vagus in der Lage ist, eine relevante Bradykardie auszulösen, muss man einige anatomische Fakten kennen: Circa 80% der vagalen Nervenfasern, die zum Herz führen, kommen bei Säugetieren aus dem ventralen Vagus-Kern (auf „schlau“ Nucleus ambiguus). Sie sind myelinisiert, das heißt sie sind von einer Fettschicht umgeben und leiten besonders schnell. 20% der Fasern entspringen hingegen dem dorsalen Vagus-Kern, sie sind nicht myelinisiert und leiten langsamer.
Es ist unbestritten, dass der ventrale Kern und die myelinisierten Fasern die Herzfrequenz maßgeblich beeinflussen, also bei uns Menschen beispielsweise tagtäglich den Herzschlag während der Ausatmung verlangsamen. Wenn wir gesund und nicht übermäßig gestresst sind, wirken die ventralen vagalen myelinisierten Fasern als „Bremse“ für den sympathischen Einfluss auf das Herz. Infolgedessen schlägt das Herz langsamer, wenn wir ausatmen, als wenn wir einatmen. Dieses Phänomen wird als respiratorische Sinusarrhythmie bezeichnet. Es führt zu einer gesunden Arrhythmie unserer Herzfrequenz (Herzfrequenzvariabilität). Über einen Einfluss des dorsalen Kerns auf die Herzfrequenz wird hingegen schon seit langem gestritten: Neutrale Wissenschaftler außerhalb dieses polyvagalen Streites sagen zum einen, dass die dorsalen Fasern eine funktionell bedeutsame Innervation des Herzens innehaben (Veerakumar et al.,2022), so schützen diese beispielsweise bei Sauerstoffmangel das Herz. Zum anderen beschreiben auch sie die Frage, ob der dorsale Kern die Herzfrequenz beeinflusst als „historische Kontroverse“, die noch nicht abschließend geklärt ist (Strain et al., 2024, S. 9 übers. von AP).
Es gibt für beide Möglichkeiten Tier-Studien, die die Argumentationen stützen: Zum einen gibt es solche, die nur wenig oder keine Bradykardie bei einer Stimulation des dorsalen Kerns zeigen. Diese Studien veranlassten viele Kritiker zu der finalen Annahme, dass der dorsale Vagus keine relevante Bradykardie auslösen kann (Grossman, 2023; Liem, Thorsten & Neuhuber, Winfried, 2021; Neuhuber & Berthoud, 2022). Wenn man diese Studien liest, kann man die Sicht der Kritiker tatsächlich nachvollziehen. Es erscheint möglich, dass der Nucleus ambiguus (also der ventrale Kern) sowohl die regulierende bradykarde Wirkung der HRV übernimmt als auch die Bradykardie bei Lebensgefahr. So wurden erst vor zwei Jahren zwei verschiedene Untergruppen von Neuronen im Nucleus ambiguus (also ventralen Vagus-Kern) im Hirnstamm nachgewiesen: Die einen wirken nur auf das Herz, sie vermitteln den Baroreflex, also den Abfall der Herzfrequenz als Reaktion auf einen erhöhten Blutdruck. Die Autoren gehen davon aus, dass dieser Schaltkreis auch die respiratorische Sinusarrhythmie vermittelt. Die zweite Sorte Neurone wirken sowohl auf die Lunge und das Herz und vermitteln den Tauchreflex, die gleichzeitige Bradykardie und Bronchokonstriktion beim Eintauchen in kaltes Wasser. Die Autoren gehen davon aus, dass die zweite Gruppe der Neurone, also die, die den Tauchreflex vermitteln, evolutionär nach dem Übergang vom Wasser zum Land entstanden sind. Denn in der Zeit, als Tiere sich zwischen Meer und Land bewegten, war dieser Reflex sicherlich “besonders wertvoll” (Veerakumar et al., 2022, übers. von AP S. 8). In dieser Studie werden also ebenfalls zwei Schaltkreise erwähnt, die zu unterschiedlichen Zeiten in der Evolution entstanden. Es wäre ein leichtes einfach zu sagen: okay, vielleicht übernimmt dieser zweite Kreislauf einfach auch die von Stephen Porges beschriebenen Reaktionen in absoluter Lebensgefahr.
Aber so einfach ist es selten in der Wissenschaft. Studien, die untersuchen, was passiert, wenn der Tauchreflex bei gleichzeitig empfundener Lebensgefahr aktiviert wird, geben Hinweise darauf, dass es sich bei den Kreisläufen, die „Tauchreflex“ und „Bradykardie bei Lebensgefahr“ auslösen, um zwei unterschiedliche Kreisläufe handelt. Dabei ist offen, ob allein die afferenten (also zum Gehirn hinführenden) Schaltkreise sich unterscheiden oder auch die efferenten (also vom Gehirn zum Herz laufenden).
Die folgenden Experimente lösen diese Frage nicht auf, aber sie sind so interessant, dass ich sie trotzdem vorstellen möchte. In ihnen werden Laborratten oder Labormäuse unter Wasser getaucht. Sie überstehen dies gut, der Herzschlag sinkt dabei ein wenig. Dies ist der (eben erwähnte) durch den Vagus vermittelte Tauchreflex. Wenn jedoch Tiere, die zuvor in extreme Angst versetzt werden, unter Wasser getaucht werden, dann stirbt ein hoher Prozentsatz der Tiere an Herzstillstand. Bei gleichzeitiger Angst-Induktion und Tauchen können extreme Bradykardien wie zu sechs Schlägen pro Minute erreicht werden. Dies kann nicht durch einen einfachen Tauchreflex erreicht werden. So reduzierte der Tauchreflex den Herzschlag in einer Studie beispielsweise von 300 auf 280/Min, eine zusätzliche Gefahr reduzierte ihn auf 30/Min. Bei den Tieren (mit gleichzeitiger Angst-Induktion) werden zugleich Zeichen von Immobilisierung, wie das typische Erschlaffen der Muskulatur beschrieben. Dies passiert nicht, wenn sie aus der Ruhe heraus getaucht werden.
Folgende Zeilen sind aus einem solchen Originalartikel entnommen: „In einem vor mehreren Jahren durchgeführten Experiment setzte Richter Wildratten, die beliebig lange schwimmen können, in einen mit Wasser gefüllten Zylinder, der mit einer Rollplatte versehen war, die ein Entweichen verhinderte. Die Ratten zeigten einen progressiven Abfall der Herzfrequenz, wobei immer wieder Pausen bis zum endgültigen Herzstillstand eintraten. Eine Vorbehandlung mit Atropin oder Chlopramin [also eine Vagus-Blockade] verlängerte das Überleben. Bei der Autopsie wurden keine Anzeichen des Ertrinkens („trockene Lunge“) gefunden. Richter führte diese plötzlichen Todesfälle auf eine vagale Überaktivität zurück, die durch psychologische Faktoren, insbesondere Hoffnungslosigkeit, ausgelöst wurde, als den Tieren bewusst wurde, dass sie nicht entkommen konnten. Um diese Annahme zu untermauern, berichtete Richter, dass die Ratten nicht starben, wenn das Gefühl der Hoffnungslosigkeit beseitigt war. Dies wurde erreicht, indem die Ratten immer wieder für kurze Zeit in den Zylinder getaucht und dann befreit wurden. Auf diese Weise lernten die Ratten schnell, dass die Situation nicht wirklich aussichtslos war; sie wurden daraufhin aggressiv, schienen sich nicht mit ihrem Schicksal abzufinden und zeigten keine Anzeichen von Aufgeben (Alboni et al., 2011 S.3, übers. von AP).“
Auch bei Menschen findet sich im Übrigen bei 10-15% mit Tod durch Ertrinken diagnostizierten Unfallopfern kein Wasser in der Lunge, man geht auch hier davon aus, dass eine extreme Bradykardie die Todesursache ist. Die Autoren der eben zitierten Studie halten auch in diesen Fällen eine doppelte Aktivierung von Tauchreflex und Furcht-Bradykardie als möglichen Auslöser (Alboni et al., 2011).
Die interessante Frage ist nun, welches Gehirnareal diese Bradykardie auslöst. Die Frage, durch welchen Kern die Bradykardie und Immobilisierung in Lebensgefahr vermittelt wird, lässt sich schwer durch Experimente beweisen, in denen diese Bedingung nicht erfüllt ist. Ich selbst habe mich bei der Recherche schwergetan, Studien zu finden, die die Frage der neuronalen Aktivität bei eben dieser Bradykardie in tatsächlicher Lebensgefahr untersuchen, um die es Stephen Porges geht. Denn solche Studien in Suchmaschinen zu finden, ähnelt daher der Situation mit der Nadel im Heuhaufen. Eine solche Studie zeigte beispielsweise, dass bei Rattenbabies in Lebensgefahr bei bedrohlicher Bradykardie und Atemnot tatsächlich der dorsale Vagus-Kern verstärkt aktiviert wurde (Baldy et al., 2017). Auch in Studien zu plötzlichem Kindstod wird eine abnormale Aktivierung des dorsalen Vagus-Kerns bei Sauerstoffmangel mit folgender Inhibition von Herz und Atmung als mögliche Ursache diskutiert (Bejjani et al., 2013).
Doch nun zurück zu dem dorsalen Kern und der Möglichkeit, dass dieser die Bradykardie in Lebensgefahr auslöst. Es gibt ebenso Studien, die genau letzteres zeigen: In diesen wird eine relevante Bradykardie durch eine Stimulation des dorsalen Kerns oder dorsale Fasern beschrieben. So zeigt eine Maus-Studie aus dem Jahr 2024 eine signifikante Bradykardie durch eine Stimulation des dorsalen Vagus-Kerns. In dieser Studie wurde durch zwei moderne Technologien der dorsale Vagus-Kern stimuliert. Dabei wurde mit beiden Methoden eine signifikante Bradykardie ausgelöst: die Herzfrequenz der Mäuse fiel um 56% bzw. 65% (Strain et al., 2024). Die Autoren beschreiben in dem Artikel die Möglichkeit, dass die anderen Studien bei der Stimulation des dorsalen Vaguskerns hemmende Nervenfasern im dorsalen Kern stimuliert haben könnten, die genau die Fasern hemmen, die eine Bradykardie auslösen könnten (Puh, Satz bitte doppelt lesen 😊!). Ein weiterer kleiner Hinweis für eine Beteiligung des dorsalen Vagus an der Immobilisierungsreaktion mit Bradykardie sind Studien, die eine Stress-Defäkation in dieser so genannten Alarm-Bradykardie bei Tieren berichten, da der dorsale Vaguskern besonders für die Organe unter dem Zwerchfell zuständig ist (Alboni & Alboni, 2017).
Eine weitere Studie umging dieses Problem, indem sie direkt im Vagusnerv die dorsalen (nicht myelinisierten) und ventralen (myelinisierten) und dann gemeinsam beide Fasern stimulierte. Dabei löste die Stimulation der einzelnen Fasern jeweils einen Abfall der Herzfrequenz um 24 Schläge aus, die gemeinsame Stimulation führte zu einer stärkeren und länger anhaltenden Bradykardie (Abfall von 39 Schlägen pro Minute) (Woolley et al., 1987). Auch in einer weiteren Studie führte die gemeinsame Stimulation zu einer größeren (Herzfrequenz: 169) und länger andauernden Bradykardie aus als die der myelinisierten Fasern allein ( Herzfrequenz: 182) (Ford & McWilliam, 1986). Weitere Studien aus dieser Zeit zeigen ebenfalls eine Bradykardie durch eine Stimulation nicht myelinisierter Fasern, die jedoch etwas weniger stark, dafür länger war als die der myelinisierten Fasern (Übersicht der Studien findet man in Garcia Perez & Jordan, 2001). In dem „ersten Artikel“ von Stephen Porges zur Polyvagal-Theorie aus dem Jahr 1995 werden Daten von einem Kaninchen präsentiert, die die Stimulation des Nervus aorticus depressor (ein Zweig des Vagus, der afferente Informationen an den NTS sendet und hypothetisch Signale an beide vagalen Kerne sendet) und die direkte Stimulation des DVM vergleichen.
Auch folgende Studien geben Hinweise, dass durch den dorsalen Kern eine Bradykardie ausgelöst werden kann: Eine Studie aus dem Jahr 2021, die die Auswirkungen eines Moleküls namens Salusin-beta auf Blutdruck und Herzfrequenz untersuchte, zeigte einen Abfall beider Parameter, wenn es in den dorsalen Nucleus des Vagus infundiert wurde (nicht jedoch in anderen Arealen) (Wu et al., 2021). Zwei Studien zu der Wirkung von Oxytocin auf den dorsalen Vaguskern zeigten ebenfalls eine Reduktion der Herzfrequenz durch Injektion von Oxytocin, jedoch nur, wenn der Vagusnerv intakt war (und nicht chemisch blockiert). Diese Studie kann nicht auf die Immobilisierung bei Lebensgefahr bezogen werden, wohl aber auf den „mixed state“ Immobilisierung ohne Angst, bei dem Oxytocin eine große Rolle spielt (Higa et al., 2002; Rogers & Hermann, 1985).
Ich frage mich, wie der Kritiker Grossman in seinen Recherchen zu seinem Paper aus dem Jahr 2023 diese Studien übersehen konnte. Dort schreibt er: “In keiner Studie wurde jemals über eine tiefgreifende DVMN-vermittelte Verlangsamung der Herzfrequenz berichtet” (Grossman, 2023, S. 2). Insgesamt entsteht beim Lesen aller Studien der Eindruck, dass es bislang zu wenig qualitativ hochwertige Studien gibt, um finale Aussagen zu dieser Frage zu ermöglichen. Dabei lädt die Heterogenität der Ergebnisse noch nicht zu finalen Aussagen ein. Bei mir entstand in den Monaten des Vergleichens der Studien der Eindruck, dass vermutlich die Wahrheit in der Mitte liegt und noch nicht gefunden ist. Vielleicht führt zum Beispiel eine gemeinsame Aktivierung von dorsalen und ventralen Fasern zu der „extremen“ Bradykardie, so wie in den Kaninchenstudien. Und wenn sich herausstellen sollte, dass beispielsweise ein phylogenetisch älterer Teil des Nucleus ambiguus für die Bradykardie in Lebensgefahr zuständig ist, dann muss man auch nicht gleich die ganze Polyvagal-Theorie umschreiben, sondern lediglich die Nomenklatur ändern.
Stephen Porges selbst schließt übrigens eine Beteiligung der ventralen Fasern an der Bradykardie in Lebensgefahr nicht aus und er hält es außerdem für möglich, dass „dorsale vagale Mechanismen […] eine kompensatorische Bradykardie über ventrale vagale Bahnen auslösen“ (Porges, 2023, S. 6). Interessant ist, dass die gemeinsame Stimulation der dorsalen und ventralen Bahnen in den obigen Kaninchenstudien die größte und längste Bradykardie auslöst, die am ehesten eben diese Bradykardie in der Immobilisierung bei Lebensgefahr beschreibt. Darüber hinaus beschreibt Porges im “Vagus-Paradox“, wie das Phänomen der dorsal-vagalen Einflüsse, die die Kontraktilität und den Blutdruck senken, zu einer reflexiven und adaptiven Bradykardie führen kann (Porges, 2023).
Vielleicht wird es einige Jahre dauern, bis wir mit neuen Technologien die Wirkung des ventralen und des dorsalen Vagus in der Bradykardie in Lebensgefahr nachvollziehen können. Das gleiche gilt für die Frage, welcher Kern das „freezing“ auslöst. Die Annahmen von Porges Kritikern, dass eine Gehirnregion namens PAG (periquäduktales grau) getriggert durch die Amygdala über eine Aktivierung des Vagus das freezing auslöst, stimmt mit den Standardwerken der neurowissenschaftlichen Literatur überein. Dieser Pfad wird jedoch auch von Stephen Porges in seinen Artikeln als möglicher Pfad für Bradykardie und Immobilisierung bei Lebensgefahr beschrieben!
Ich konnte des Weiteren auch keine gegenteiligen Annahmen von Stephen Porges finden. Die spannende Frage ist, ob der beschriebene Vorgang nun über den ventralen oder den dorsalen Kern ausgelöst wird. Hier gibt es Artikel, welche die eine Sicht beschreiben und solche, welche die andere favorisieren und keine klare, eindeutige Sicht (Roelofs, 2017). Das PAG scheint mit beiden Kernen Verbindungen zu haben (Maniyar et al. 2014). Das Schwierige ist, dass es erneut relativ wenig Studien gibt, die in der Lage sind, die Prämissen zu beweisen oder zu widerlegen. Das gleiche gilt auch für den nächsten Kritikpunkt.
Der zweite große Kritikpunkt der Kritiker ist, dass einige der heutigen Fische, Reptilien und Vögel ebenfalls ein ventrales Vagusareal haben, aus dem ebenfalls myelinisierte Fasern entspringen und welche auch bei diesen Tieren den Herzschlag beeinflussen (Liem, Thorsten & Neuhuber, Winfried, 2021; Grossman, 2023; Taylor et al., 2022).
Porges hingegen argumentiert, dass man diese Prämisse der Polyvagal-Theorie nicht mit anatomischen Studien aus der heutigen Zeit zu heutigen Spezies widerlegen kann. Denn „Säugetiere haben sich nicht aus modernen Reptilien entwickelt“ (Porges, 2023, S. 4; übersetzt von A.P.). Porges beschreibt, dass sich die heutigen Reptilien und die heutigen Säugetiere aus einem gemeinsamen ausgestorbenen Reptil, dem damaligen „Ur-Reptil“ entwickelt haben. Die Studien zu den heutigen Reptilien könnten nur dann verwendet werden, wenn sich „die von den vergleichenden Anatomen untersuchten Arten seit ihrem ersten Auftreten nicht verändert haben“ (Porges, 2023, S. 4; übersetzt von A.P.).
Ich finde zum Verständnis zudem folgende Information hilfreich: Man geht davon aus, dass der dorsale Kern mit seinen nicht myelinisierten Fasern evolutionär älter ist als der ventrale Kern mit seinen myelinisierten Fasern. Auch beim Embryo entstehen der dorsale Kern und seine Bahnen zum Herz vor dem ventralen Vagus, dessen Fasern auch erst später zum Herz wandern. Die Entwicklung des dorsalen Kerns ist bei Geburt funktionell so gut wie abgeschlossen, während die Entwicklung des ventral-vagalen Kerngebietes und auch die Myelinisierung der Fasern bis in das erste Jahr hinein weitergeht (Becker et al., 1993; Cerritelli et al., 2021; Cheng et al., 2008; Pereyra et al., 1992; Strain et al., 2024).
Um die Frage einer Unterschiedlichkeit des Nervensystems von Reptilien und Säugetieren von einem weiteren Blickwinkel zu erörtern, finde ich auch folgende Fragen wirklich faszinierend: Unterscheiden sich Reptilien und Säugetiere in ihrem Sozialleben voneinander? Sind Reptilien in ihrer Entwicklung genauso auf soziale Interaktion und soziale Kommunikation angewiesen wie Säugetiere? Und als Forscherin, deren Fokus für Jahre auf der „emotionalen“ Funktion der Haut lag, gehört auch folgende Frage dazu: Welche Rolle spielt die Berührung im Alltag und in der Regulation der Reptilien versus der Säugetiere?
Obwohl Reptilien bei genauer Betrachtung sozialer erscheinen als wir es lange annahmen (es gibt ein ganzes Buch dazu, das ich leider noch nicht gelesen habe, aber dessen Rezensionen und Titel vielversprechend sind „the secret social life of reptiles Doody, S., J. et al., 2021), zeigt die Forschung wie sehr sich Reptilien und Säugetiere in ihrem Sozialleben unterscheiden. In einem Experiment wurden die allein aufgezogenen Eidechsen sogar größer und länger und zeigten Anzeichen einer besseren Überlebensfähigkeit (sie behielten ihre Schwänze 😉 ) als die mit anderen Eidechsen aufgezogenen Tiere (Riley et al., 2017).
Säugetiere werden hingegen maßgeblich in ihrer Entwicklung behindert, wenn sie in Isolation aufgezogen werden, wie folgende Beispiele exemplarisch demonstrieren: Der Forscher Harlow und sein Team zogen in den 60er Jahren Affen in Isolation auf, nachdem ihr Labor von Tuberkulosefällen heimgesucht worden war und sie eine Ansteckung verhindern wollten. Nach der sozialen Isolation zeigten die Affen Symptome, die menschlichen psychologischen Symptomen ähnelten: Sie schaukelten hin und her, starrten in die Luft, liefen unruhig in ihren Käfigen umher und zeigten selbstverletzendes Verhalten. Als sie wieder in die Gruppe aufgenommen wurden, wussten sie nicht, wie sie sich verhalten sollten, und einige verhungerten, nachdem sie sich geweigert hatten zu essen. Einige der in Isolation aufgezogenen weiblichen Affen verletzten ihre Babys. Auch andere Säugetiere reagieren auf Isolation mit Stress – in einer kürzlich durchgeführten Studie wurden isolierte Mäuse mittleren Alters nach nur drei Wochen Isolation depressiv (Magalhães et al., 2024).
Auch in der Bedeutung der Berührung für das Wohlergehen scheinen sich Reptilien von Säugetieren zu unterscheiden. So kommt die Anfrage an die Suchmaschine pubmed „soziale Berührung Reptilien“ auf null Treffer, während die Anfrage „soziale Berührung Säugetiere“ 3655 Resultate erzielt. Mit sozialer Berührung sind dabei all die Wege der Berührung gemeint, die Säugetiere den ganzen Tag praktizieren: Kuscheln, Lausen, Abschlecken, Kraulen. Diese tragen maßgeblich zu der physiologischen Regulation von Säugetieren bei. Hierfür verantwortlich sind Rezeptoren, die in der behaarten Haut von Säugetieren liegen und Informationen über sanfte, streichelnde Berührung an „emotionale“ Areale im Gehirn senden. Diese kleinen Rezeptoren (CT-Afferenzen, auch zu denen findet man ein ganzes Kapitel bei mir im Buch!) und Nervenfasern leiten dabei keine akkurate Information weiter. Stattdessen wirkt ihre Aktivierung regulierend auf das Nervensystem. Man könnte sagen, sie senden reine Botschaften der Freundlichkeit und Bindung (und auch nur, wenn der Berührende und die Berührung als sicher und angenehm eingestuft werden). So können Signale über die Haut als Sicherheitssignale über die posteriore Insula die Amygdala im Stress regulieren (Kong et al., 2014). Kleine Babies reagieren schon wenige Monate nach der Geburt mit einer Regulation des Nervensystems auf diese Form der sanften, streichelnden Berührung, welche maßgeblich an einer gesunden Entwicklung des Nervensystems beteiligt ist. Sie sollten daher in eine Diskussion über die Polyvagal-Theorie mit einbezogen werden und sprechen für eine Unterschiedlichkeit in der Bedeutung von sozialer Interaktion für das Wohlergehen von Reptilien und Säugetieren (Croy et al., 2022).
Doch nun zurück zur Polyvagal-Kritik: Tatsächlich ist es faszinierend, dass die Kritik fast ausschließlich die neurowissenschaftlichen Prämissen der Theorie beleuchtet, welche Stephen Porges selber gar nicht als seine zentrale Botschaft der Theorie beschreibt. Als zentrale Botschaft seiner Arbeit nennt er die Bedeutung des Gefühls von Sicherheit für unser emotional-körperliches Wohlbefinden. Er beschreibt dies wie folgt: „Wenn sich ein Mensch sicher fühlt, unterstützt sein Nervensystem die homöostatischen Funktionen der Gesundheit, des Wachstums und der Regeneration, während er gleichzeitig für andere zugänglich wird, ohne Bedrohung und Verletzlichkeit zu spüren oder auszudrücken.“ (Porges, 2022, S. 2)
Wenn man seine neusten Artikel aufmerksam liest, dann versteht man, was Porges eigentlich mit seiner Arbeit in die Welt bringen möchte. Und es ist schade, wenn diese Fragen in der Kritik untergehen: Es geht ihm darum die heilende Wirkung von Beziehung und Liebe in die trockene Lehre der Physiologie zu übersetzen. Es ist ihm ein Anliegen die emotionale und die physiologische Bedeutung von Sicherheit zu erklären. Und er zeigt, wie wir über den Körper und über Beziehung Sicherheitssignale empfangen können und so unsere Beziehungsfähigkeit und Gesundheit stärken können. Diese Botschaft könnte eine der Botschaften sein, die hilft, die Welt zu retten 😊. Doch nun erneut zurück zur Kritik: Die Kritiker monieren, dass Stephen Porges dem „ventral vagalen Komplex“ in der Theorie Aufgaben zuschreibt, die der Vagusnerv als solcher nicht hat (zum Beispiel Aktivierung der Gesichtsmuskeln). Sie kritisieren, dass er statt des „vagalen Komplexes“ die gesamte Region der Hirnnerven nennen sollte. Genau dies, das System der Hirnnerven, meint Porges, wenn er von dem ventral-vagalen Komplex spricht. Diesen Begriff verwendet er synonym für das System der Sozialen Verbundenheit (Porges, 1995, 2023).
Ein weiterer großer Kritikpunkt handelt von der Rolle der Herzratenvariabilität: Die Kritiker hinterfragen, ob die HRV überhaupt Aussagen auf andere Organe als das Herz zulässt (Neuhuber & Berthoud, 2022). Grossman stellt außerdem in Frage, inwieweit die HRV mit emotionalen Vorgängen korreliert (Grossman, 2023).
Es ist interessant, dass Porges selbst sich eigentlich für eine exakte Definition der genauen Schaltkreise ausspricht: Er schrieb mir, als er diesen Artikel hier las, dass die Polyvagal-Theorie sich nicht für ein Gleichsetzen von vagalem Tonus und HRV einsetzt. Wir können somit durch die HRV keine Aussagen über die vagale Funktion verschiedener Organe machen und doch gibt es Hinweise, dass die HRV Aussagen über die Gesundheit verschiedenster Organsysteme ermöglicht. Diese Frage, ob die HRV bei körperlichem und psychischem Stress verändert ist, ist dabei für uns Kliniker wirklich relevant. Daher möchte ich ihr einen Absatz widmen. Ich muss bei diesem Thema immer an ein Kaffeetrinken mit meinem alten Chef, Prof. Dr. Florian Beißner denken, der als Hirnforscher lange Zeit über Techniken forschte, mit denen man die Vaguskerne im fMRT darstellen kann und sich auf hochwissenschaftlichem Niveau viel mit der HRV beschäftigte. Er beschrieb mir bei diesem Kaffeetrinken, wie schwierig es ist, die Herzratenvariabilität korrekt zu bestimmen und auszuwerten. Folgende Studien geben uns daher nur Hinweise, wie die HRV bei Krankheiten verschiedenster Organsysteme verändert wird:
Eine niedrige HRV zeigt sich in Studien bei Krankheiten verschiedenster Organsysteme. Beispielsweise zeigte sich die HRV bei Patienten mit Entzündungen und/oder Sepsis (Adam et al., 2023), bei Patienten mit Infektionen nach einem Schlaganfall (Brämer et al., 2019), bei Patienten mit Parkinson (Li et al., 2021) oder Epilepsie (Lotufo et al., 2012) bei Entzündung und Schmerz bei Osteoartritis (Sohn et al., 2024), bei der Autoimmunkrankheit Sjögrens-Syndrom (Lin et al., 2024) erniedrigt. Dabei korreliert sie in vielen Studien mit der Krankheitsaktivität, das heißt, dass ein „Schub“ oder stärkere Symptome mit einer niedrigen HRV korrelieren.
Eine niedrige HRV korreliert zudem häufig mit emotionalen Vorgängen. So kam eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2023 zu HRV und Stressreaktionen mit 15 Studien zu dem Ergebnis: „HRV ist ein valides Maß für die psychologische Stressreaktion“ (Immanuel et al., 2023, S. 1, Übers. von AP). In einer Meta-Analyse mit 31 Studien und 4534 Patienten zeigte sich ein Zusammenhang zwischen HRV und Schwere der Depression, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen (Ding et al., 2024). Weitere Studien zeigen eine niedrige HRV bei Patienten mit Angststörungen, Schizophrenie, Borderline Persönlichkeitsstörung und PTBS (Visted et al., 2017).
Faszinierend für uns Kliniker ist, dass Symptome eben dieser Krankheiten, sowohl der somatischen als auch der psychischen, durch eine elektrische Vagus-Stimulation maßgeblich verbessert werden können.
Elektrische Stimulation des Vagusnervs bei chronischen Krankheiten
Eine elektrische Stimulation des Vagusnervs wird momentan für die Behandlung zahlreicher chronischer Krankheiten untersucht. Hierbei wird der linke Vagusnerv entweder direkt durch ein Implantat unter der Haut stimuliert oder in neueren Studien werden Formen der Stimulation untersucht, bei der der Vagus über eine Stimulation auf der Haut am Hals oder am Ohr stimuliert wird.
Insgesamt geben die Studien ermutigende Hinweise, dass Symptome unterschiedlichster Krankheitsbilder durch eine Vagus-Stimulation erstaunlich gelindert werden können. Für einige Krankheiten ist die Vagusnerv-Stimulation offiziell als Behandlungsoption zugelassen. So ist die Vagus-Stimulation seit dem Jahr 1997 für die Behandlung der therapierefraktären Epilepsie zugelassen.
Studien zeigen, dass mehr als 60% der Patienten mindestens eine 50% Reduktion der Symptome erfahren (Bauer et al., 2016; Elliott, Morsi, Kalhorn, et al., 2011; Elliott, Morsi, Tanweer, et al., 2011). Zudem erleben die Patienten eine signifikant verbesserte Lebensqualität mit besserer Wachheit (58-63 %), Stimmungsänderung (43-49 %), verbaler Kommunikation (38-45 %), Steigerung schulischer Leistungen (29-39 %) und des Gedächtnisses (29-38 %) (Englot et al., 2017). Seit 2005 ist die Vagusnerv-Stimulation zur Therapie von therapierefraktärer Depression zugelassen. Hier zeigen Langzeitstudien eine Symptomreduktion von mindestens 50 % bis zu 67% der Patienten, bis zu 43% erreichten eine Remission (Aaronson et al., 2017).
In den letzten 10 Jahren wurde mehr und mehr auch über somatische Krankheiten geforscht. Auch wenn die Studien klein sind, sind die Ergebnisse beeindruckend. In einer kleinen Studie aus dem Jahr 2020 wurde neun Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung ein elektrisches Gerät zur Vagus-Stimulation implantiert. Nach einem Jahr hatte sich der Schmerz um 51 % reduziert, ein bekannter Marker für Entzündung (CRP) war um 60% gesunken, der Krankheitsscore war um 67% gefallen, 70 % der Patienten waren in einer Remission (Sinniger et al., 2020). In einer Studie aus dem Jahr 2016 war 18 Patienten, die auf die stärksten Rheuma-Medikamente nicht ansprangen, ein Vagus-Stimulator implantiert worden. An Tag 42 hatte sich die Krankheitsaktivität bei 70% der Patienten um 20% gebessert, bei 57% der Patienten um 50% (Koopman et al., 2016). Weitere Studien zeigen eine Verbesserung der klinischen Symptome, des Fatigues und der Immunmarker im Blut bei Autoimmunkrankheiten wie Lupus oder Sjörgrens-Syndrom. Beispielsweise reduzierten sich die Schmerzen bei 83,3% der Patienten mit echter Stimulation, nur 16,7% der Patienten mit Schein-Stimulation zeigten eine signifikante Schmerzreduktion. Die geschwollenen, schmerzhaften Gelenke zeigten bei Patienten mit echter Vagus-Stimulation bei der Begutachtung durch einen Arzt zu 100% eine Verbesserung. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Fatigue Syndrom (?) signifikant reduziert, war bei Probanden, die eine echte Vagus-Stimulation erhielten 54,6-mal größer als bei einer Schein-Stimulation (Aranow et al., 2021).
Es bleibt eine spannende Frage, ob diese Erfolge sich in größeren Studien bestätigen und wie und ob diese Resultate auch durch nicht-elektrische Stimulation erzielt werden können.
Kommen wir zuletzt zu einem Kritikpunkt, welcher subtil oder weniger subtil in einigen Kritiken mitschwingt: der Kritik, dass die Polyvagal-Theorie von körperorientierten Traumatherapeuten als Erklärungsmodell für Ihre Therapien herangezogen wird und nur deshalb eine Verbreitung findet (Walz & Grossman, 2024). Daher soll es im letzten Kapitel um diese Frage gehen: Kann eine Vagus-Stimulation in der Konfrontation mit unangenehmen Triggern die therapeutischen Outcomes dieser Therapie verändern und einen zusätzlichen therapeutischen Benefit darstellen? Dies ist kein unwichtiges Thema, denn die verhaltenstherapeutischen Konfrontationstherapien kommen gerade bei großen Ängsten und Traumata an ihre Grenzen, denn die Exposition mit Trauma-Triggern oder angstauslösenden Themen kann bei Patienten zu starkem Arousal führen. In einem Artikel aus dem Jahr 2015 wandten nur noch 46,8 % der 684 teilnehmenden Verhaltenstherapeuten Konfrontationstherapien wie die Exposition überhaupt an. Dies geschah aus folgenden Gründen: Etwa 70 % der Befragten gaben an, dass das Zeitmanagement bei der Konfrontationstherapie aufgrund des starken Arousals der Patienten schlecht vorhersehbar war, bei 66 % führte dies zu Sitzungsausfall bei anderen Patienten. 52 % gaben an, dass sie zur Regulation des durch die Therapie hervorgerufenen Arousals der Klienten zusätzliche Strategien zur Arousal-Reduktion bräuchten, und weitere 23 % befürchteten, ihre Klienten zu retraumatisieren. 37 % äußerten, dass die Konfrontation für den Therapeuten selbst sehr anstrengend durchzuführen sei (Pittig et al., 2019). Einer der Autoren schreibt, dass „eine substanzielle Anzahl von Klienten keine signifikante Symptomreduktion oder ein Wiederkehren der Angst“ (Pittig et al., 2016, S. 403) zeigt.
Die folgenden Studien zur Konfrontation mit Vagus-Stimulation geben Hinweise, dass eben diese zu einer „sichereren“ und sanfteren und wirkungsvolleren Konfrontation führen könnte. Lassen Sie uns zunächst die wissenschaftliche Basis durch Studien zur elektrischen Vagus-Stimulation bilden und zuletzt einige Studien zu körperorientierten Traumatherapien anschauen. Wen es interessiert, wie die Vagus-Stimulation bei diesen implementiert wird, dem kann ich im Übrigen mein Buch empfehlen. Das hier zu erklären würde den Rahmen des Sonderkapitels sprengen J.
Zunächst einige Tierstudien: Ratten, die eine Vagus-Stimulation bei der Konfrontation mit angstauslösenden Triggern erhielten, brauchten in einer Studie fünfmal weniger Konfrontationsrunden, um eine konditionierte Angst zu verlernen. Dies funktionierte auch bei etwas älteren Ängsten, die von Erinnerungsforschern als robustere Ängste eingestuft werden. Diese Studie und einige andere weisen zudem darauf hin, dass eine Stimulation des Nervus vagus den ventromedialen präfrontalen Cortex aktiviert. Dies ist ein Gehirnareal, das bei großem Stress oft deaktiviert wird. Dies führt dazu, dass Konfrontationstherapien besonders bei PTBS-Patienten oft nicht gut wirken (Peña et al., 2014; Peña et al., 2013; Szeska et al., 2020, 2022).
Vagusnerv-Stimulation bei der Konfrontation führte bei kleinen Ratten außerdem dazu, dass sich die Wirkung auf gemeinsam erlernte Trigger ausbreitet, also auch auf solche, die gar nicht konfrontiert wurden (Souza et al., 2021). Ratten, die unter PTBS-Symptomen wie Ängstlichkeit, gesteigertem Stressempfinden und sozialem Isolieren litten, erlebten zudem durch eine Konfrontation mit VNS eine Besserung dieser Symptome, ohne dass diese direkt adressiert wurden. So zeigten sie danach wieder ein normales Sozialverhalten, sie verhielten sich also ganz im Sinne von Porges 😊(Noble et al., 2017).
Bei menschlichen Patienten mit PTBS reduzierte die Vagus-Stimulation, während diese ein Traumaskript vorlasen, Entzündungsmarker im Blut, wie IL-6 und Interferon-y – Marker, die in der Kontrollgruppe ohne Vagus-Stimulation dabei anstiegen. Weitere Studien zeigen eine Veränderung von Markern wie Schmerzen und Stress bei Patienten im Opiod-Entzug bei der Konfrontation (Bremner et al., 2020; Gazi et al., 2022; Gurel et al., 2020; Wittbrodt et al., 2020).
All diese Studien geben Hinweise, dass es tatsächlich hilfreich sein könnte, im therapeutischen Setting das parasympathische Nervensystem, bzw. den Vagusnerv zu stimulieren. Wenn man von der Argumentation Porges ausgeht, würde dies dazu führen, dass die Konfrontationstherapien unter Einbeziehung der Vagus-Stimulation sogar als „sicherer“ empfunden werden. Erste Studien mit körperorientierten Therapieverfahren wie EMDR und Klopftechniken geben Hinweise, dass eben dies so sein könnte. Hier möchte ich als Beispiel Studien mit Veteranen heranziehen. Denn Veteranen gelten als diejenige Untergruppe der PTBS-Patienten, die am schlechtesten auf Therapien ansprechen, wie beispielsweise die Metaanalyse von Bradley zur Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapie aus dem Jahr 2005 zeigt (Bradley et al., 2005).
Auch neuere Studien zeigen nur eine bedingte Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapien wie Cognitive Processing oder der prolongierten Exposition: So brachen in einer Studie aus dem Jahr 2022 55% der Patienten die prolongierte Exposition ab, nur 40 % erfüllten nach der Therapie nicht mehr die Kriterien für eine PTBS. Bei der Methode Cognitive Processing brachen 46% die Therapie ab, 28% erfüllten danach nicht mehr die Diagnose einer PTBS (Schnurr et al., 2022). Die hohen Abbruchquoten sprechen dafür, dass die Veteranen die Konfrontation schlichtweg als zu belastend erleben.
Studien zu körperorientierten Traumatherapien wie EMDR oder Klopftechniken wie EFT, welche einen somatischen Stimulus bei der Intervention einsetzen, geben hingegen Hinweise, dass Veteranen diese als weniger belastend erleben.
Besonders beeindruckend ist eine Studie aus dem Jahr 2018, in der die Veteranen 20 Sitzungen EMDR erhielten. In dieser wurden nur Veteranen eingeschlossen, bei denen andere Therapien zuvor versagt hatten. Die Autoren schreiben: „Obwohl die meisten zugaben, dass sie skeptisch waren, ob zusätzliche Behandlungen funktionieren würden, waren alle bereit, eine weitere zu versuchen, da sie nicht mit ihren PTBS-Symptomen leben wollten. Die Reaktionen auf frühere Behandlungen reichten Berichten zufolge von Compliance bis hin zu Veteranen, die am Ende der Sitzungen so aufgebracht waren, dass sie „rausgingen und sich betranken“, was ihre Alkoholabhängigkeit verstärkte.
Andere Veteranen berichteten, dass sie die Therapie vorzeitig abbrachen, um die Intensität der [Konfrontation] zu vermeiden. Einige Soldaten berichteten, dass sie 2-4 Jahre zuvor eine Behandlung mit anderen Therapien mit enttäuschenden Ergebnissen abgeschlossen hatten.“ (Hurley, 2018,S.1, übers. Von AP)
Diese Studie wie auch eine Studie mit der Klopftechnik EFT zeigten erheblich niedrigere Dropout-Quoten von 4% und Erfolgsquoten von 100% und 86% (Church et al., 2013; Hurley, 2018). Diese Studien können als erste Hinweise dafür gewertet werden, dass „Sicherheitssignale“ (Porges, 2022) im therapeutischen Setting Traumatherapien tatsächlich sicherer und wirksamer machen!
Sie sind eine Einladung, die Polyvagal-Theorie zu verfeinern und das Wissen durch gezielte Studien tatsächlich tiefer zu verstehen, statt sie über den Haufen zu werfen.
Dr. med. Antonia Pfeiffer
- Wenn in diesem Kapitel wie auch in meinem Buch zugunsten der Lesbarkeit die grammatikalisch männliche Form verwendet wird, so sind Frauen, Männer und Menschen mit einer nicht binären Identität inbegriffen.
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